Wölfe Mitten Im Mai
Franz Josef Degenhardt
6:39Durch's Schalloch im Gitarrenbauch Da seh' ich ihn und höre auch Die Lieder, die er singt Ich rieche jenen scharfen Hauch Von Schnaps und seh' durch Pfeifenrauch Wie andächtig er trinkt Hör', was er meiner Frau erzählt Hör', wie sie lacht und Fragen stellt Und höre, wie er lügt Seh', wie er mit den Kindern spielt An ihre Ohren Muscheln hält Vom Rumpelstilzchen spricht Wie kommt nur dieser Mann hierhin? Was hält ihn hier, was will er denn Der, der meine Lieder singt Der, der meine Schnäpse trinkt Meine Frau an's Lachen bringt Meinen Kindern Muscheln schenkt? Der könnt' doch auch als Lohengrin Im Nachen auf die Bühne ziehen Den Bauch voll Wagnerklang In Flandern an 'nem Tresen stehen Durch's Schnapsglas auf die Mole sehen Am Ölzeug Salz und Tang Mit langstieligen Mädchen an Kaminen hocken als der Mann Der Nüstern beben lässt Als Pfaff' und Arzt in Hindustan Der auch noch Orgel spielen kann Die Kinder impfen gegen Pest Das könnt doch alles der da tun Auf dem jetzt alle Blicke ruhen Der, der meine Lieder singt Der, der meine Schnäpse trinkt Meine Frau ans lachen bringt Meinen Kindern Muscheln schenkt Der singt und quasselt, lacht und raucht Der säuft und säuft und lutscht und saugt Sein Mund kriegt nie genug Die Zunge brennt, in Schnaps getaucht Das Glas, das er pro Stunde braucht Leert er in einem Zug Wenn der mit anderen Frauen spricht Dann sieht er nur in ihr Gesicht Nur selten tiefer hin Der lügt, dass Rumpelstilzchen nicht Nachts unter Kinderbetten liegt Erzählt von guten Feen Ein ordentlicher Mann, gepflegt Der Schlips und weiße Hemden trägt Der, der meine Lieder singt Der, der meine Schnäpse trinkt Meine Frau ans lachen bringt Meinen Kindern Muscheln schenkt Wie, wenn's dem plötzlich nicht mehr schmeckt Wenn der sein Instrument zerschlägt Und laut Kommandos brüllt? Die Zunge nicht ins Schnapsglas steckt Sie jedem gleich entgegenstreckt Des' Nase ihm missfällt? Wie, wenn der alle Scham vergisst Und sich zum Bahndamm ziehen lässt Zigeunerweiber jagt? Den Kindern sagt, wie's richtig ist Dass Rumpelstilzchen Kinder frisst Und nachts am Bettpfost' nagt? Vertraut dem nicht zu sehr, gebt acht Auch, wenn er so gemütlich lacht Der, der meine Lieder singt Der, der meine Schnäpse trinkt Meine Frau ans lachen bringt Meinen Kindern Muscheln schenkt